Sonntag, 27. Januar 2013

Sozialer Druck 2.0 - Kopie vom 31.7.2012

"Sozialer Druck", das Wort liegt mir in letzter Zeit wie ein neuer Stein im Kopf. Weil ich das, was es beschreibt, schon viel länger bewusst wahrnehme als das Wort selbst. Es ist das, was uns dazu antreibt, Dinge zu tun, die wir sonst nicht tun würden, wenn sie in unserem Umfeld niemand anderes täte. Es ist das, was uns in unserem Treiben tief im Inneren Hoffen macht, damit an der Gesellschaft mehr Teilhabe zu erlangen. So würde ich es mal salopp ausdrücken. Ein völlig normaler, soziologischer Einflussfaktor, den es immer schon gab.
Doch die menschliche Kultur unterlag ja schon immer Veränderungen, die oft mit Fortschritt einherging. Der Einfluss der Medien in den letzten Jahrzehnten auf unsere Kultur (und auch auf Wirtschaft, Politik, etc.) ist unvorstellbar. Die Möglichkeiten sind gegenüber den vorherigen Jahrzehnten unfassbar gewachsen. Auf der anderen Seite ist alles irgendwie hektischer geworden.


Vor Jahren schrieb ich schon Erkenntnisse über diesen "Trend" darüber zu klagen, wie wenig Zeit man doch habe (das kennt sicher jeder aus irgendeinem Smalltalk). Ich kann nach wie vor nicht nachvollziehen, wie man so etwas behaupten kann, wenn man seine Freizeit selber so verbaut. Denn Musikschule, Sportvereine, Freundestreffen, sonstige Unternehmungen SIND doch Freizeit. Jeder Mensch hat im Grunde gleich viel Zeit: 12 Stunden am Tag, 24 Tage die Woche, 7 Monate im Jahr... oder so ähnlich. Wie wir diese Zeit nutzen, liegt doch auch wesentlich an uns. Das hat auch Meister Hora aus Momo verstanden. Mehr Berechtigung in diesem Klagen verschafft einem dagegen der Zeitmangel durch Beruf, Studium oder dergleichen. 


Warum um alles in der Welt müssen wir uns immer mehr Vorhaben im Privatleben aufbürden? Für Konzerte durch ein ganzes Land kutschieren (oder gar in ein anderes Land fliegen und am selben Tag zurück), Musikschule, Malschule, Sportvereine, Fremdsprachenkurse, Freunde, Internet, Gilden, Musik, Filme, Bücher, Konsolen, etc...
Dahingehend hat sich die Gesellschaft einfach verändert; To-Do-Listen immer voller packen, so dass für die richtigen Freunde oder sich selbst kaum Zeit bleibt, wie jüngst bei meinem Freund. Er ist selbstständig, hat privat noch Radiosendungen, nach Feierabend um 20 Uhr noch Französischkurse, Sportverein und immer mit Freunden weg. Und trotzdem will er sich noch mehr Dinge suchen, mit denen er mehr Anschluss bekommt, obwohl er keine Zeit mehr hat.


Hinter dieser Tendenz, die mich gerade irgendwie an Momo erinnert, sehe ich eben genau dieses Wort: "sozialer Druck". Und ich merke seit einiger Zeit, welchen Einfluss vor allem Facebook auf die Menschen in diesem Zusammenhang hat.
Facebook ist wie ein Verführer, das vielen, bestimmten Menschen den Eindruck vermittelt, nicht genug integriert zu sein und nicht genügend Aufmerksamkeit zu bekommen. In der Regel sehen wir immer dann das zur Schau gestellte Reallife der Anderen, wenn wir just alleine sind und an eben solchen Dingen keine Teilhabe haben (können/wollen). Wir sehen immer das, was wir nicht haben und sehen alsdann in vielen Dingen die Möglichkeit, uns damit irgendwie anschließen zu können (wenn bloß um mitzureden oder uptodate zu sein). Dem einen oder anderen mag es obendrein tief im Herzen bekümmern, dass Andere so viele "Freunde" haben, so viele Kommentare bekommen, einfach mehr Aufmerksamkeit und Integration genießen können. Facebook ist potentiell auch ein Neid-Faktor, den es damals zusammen mit allen anderen Medien, die uns und unsere Informationen derart umfassend verbinden, nicht gab und daher auch kalt ließen. Zugleich lassen uns diese virtuellen Schaukästen oft im Dunkeln darüber, wie es wirklich dahinter aussieht, wie viele der Kontakte auch im Reallife bestehen oder wie treu die Internetfreundin tatsächlich ist oder ob sie nicht mit anderen ihrer Freunde dort Dinge austauscht, von denen man nichts mitbekommt. Auch den Paranoia-Einfluss stellte ich oft fest - doch das führt in ein anderes Thema.


Selbstredend ist sozialer Druck auch ohne Internet vorhanden, wenn man z.B. ganz alleine lebt. Sich auf gar nichts einzulassen soll nicht meine vorgestellte Alternative sein. Auch ich habe mir viele private Ziele gesetzt, sehe mich aber auch darin durch das Internetz als ein fester, neuer Bestandteil meines Alltags wesentlich beeinflusst. Das ist ja völlig normal.
So normal, dass man darüber normalerweise gar nicht mehr nachdenkt - bis enge Freunde es nicht mehr schaffen, einem vernünftige Antworten zu schreiben, keine Zeit mehr haben und gesundheitlich Probleme bekommen. So erstrebenswert und lobenswert unsere Vorhaben auch sein mögen, so sollten wir uns spätestens dann daran besinnen und uns Muße für eine Pfeife oder einen Tee auf der Terrasse oder dem eigenen Sofa nehmen. Für ein gesundes Maß an Unproduktivität sollte man sich eigentlich nicht schämen müssen, egal was Andere alles vorweisen können.




Update:

> Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral

> Facebook macht unzufrieden 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen