Nachdem ich in letzter Zeit einige Nachbarschaftsstreitereien ausdiskutierte und auch miterlebte, gibt es da eine gewisse Gesetzeshörigkeit, die ich in manchen Fällen für unausreichend und undiplomatisch für ein gutes Miteinander halte. Die meisten zeigten zum Glück im Umfeld eine vorbildliche Einstellung. Trotzdem erlebe ich oft genug, gerade im privaten Umfeld, eine
fragwürdige Haltung zu solchen Problemen. Nicht selten auch radikal,
stur und mit männlichen Macho-Normen.
Ich verstehe nicht, wieso immer in Gesetzesbücher geguckt wird, um zu
wissen, was man in der Gesellschaft darf und was nicht. Dabei bin ich
froh in einem Rechtsstaat zu leben, ehrlich! Nur wird es auch manchmal
mit dieser "Paragraphenreiterei" so übertrieben, dass dabei gar nicht
mit Blick auf die individuellen Umstände und Mitmenschen mitgedacht
wird. Diese können von einem noch so guten Gesetzesbuch nicht immer
optimal berücksichtigt werden. Als Philosoph könnte man sagen, dass man
mit einer gehörigen Portion gesundem Menschenverstand mit Verständnis,
Rücksicht und Selbstkritik keine Gesetze bräuchte.
Im Fall einer geplanten Party, bei der man schon im Vorfeld einen
gewissen Störfaktor mit Lärmbelästigung einkalkulieren kann, liegt es
für mich nahe, sich mit den Nachbarn rechtzeitig kurz zu schließen. Am besten noch, bevor man sich festlegt,
die Nachbarn anhauen: "Hey, pass auf, ich plane da eine
Geburtstagsfeier/eine Gartenparty, die spät und etwas laut werden
könnte. Wie sieht's aus, gibt es da eurerseits Einwände?". Wenn der Nachbar dann zum Beispiel sagt: "Oh,
am Wochenende übernachtet unser Enkelkind bei uns und der muss in dem
Alter früh ins Bett. Das Wochenende darauf sind wir wieder alleine!"
und man noch keine Einladungen verschickt hat, wäre die Kommunikation
optimal verlaufen. Um auf sicher zu gehen, lädt man sie aus reiner
Kulanz und Geste mit ein, quasi zur Besänftigung. Wenn schon Lärm ist, kann er dafür mit etwas Essen und Trinken entschädigt werden. Und selbst wenn nicht, dann zeigte man zumindest den guten Willen und die Bereitschaft, es vis-a-vis und a priori zu klären, statt posthum und advocatus-a-advocatus (also über Anwälte).
Falls an dem guten Willen mancher Nachbarn gezweifelt wird, kann ich nur
sagen, dass das auf Gegenseitigkeit beruht. Das Verständnis und die
Rücksicht müssen bei einigen auch vorher von einem selbst demonstriert
werden. Ich hatte vorher auch tyrannische Nachbarn, die wenig beliebt waren, vom Gartenzaun alles und jeden auf noch so kleine
Belanglosigkeiten hin ankeiften (sogar spielende Kinder) und sich auch
an völlig ordnungsgemäß parkende Autos vergriffen (ich hatte eines
Morgens mal Erde auf der Motorhaube...). Und auch die konnte ich mit
meinen Prinzipien nach ein paar Jahren "besänftigen".
Als ich eines Tages in einem der letzten harten Winter wieder Schnee in
der Einfahrt schippte und dabei mich nicht weiter drum kümmerte, dass
einzelne kleine Schneebröckchen (mehr waren es nicht) durch den
Zaun auf Nachbars Grundstück purzelten, war die Ka*** wieder am dampfen
und ich hörte die alte Frau wieder krächzen und keifen. Ich ignorierte
sie aber nicht und fing auch nicht an, hirnlos zurück zu feuern (wie es
meine Freunde und Eltern raten), sondern nahm sie in ihrem Anliegen
ernst und fragte, in ganz sachlichem und freundlichem Ton nach, warum
das denn so schlimm sei. In ihrer Überraschung musste sie sich erst mal
wieder fangen, bis ich den Grund genannt bekam, dass die Salzreste den
Baumwurzeln schaden könnten. Das klingt zwar ziemlich vorgeschoben, doch
das interessiert mich auch nicht näher. "Meinetwegen" dachte ich. Das
ist ja alles noch im Rahmen des tolerierbaren, worauf man Rücksicht
erwarten bzw. entgegenbringen kann, wenn es denn argumentativ
entgegengebracht wird. Geht doch!
Auf jeden Fall merkten die Nachbarn mit der Zeit, dass man mit mir auch
reden kann. Seither waren die richtig freundlich zu mir, hielten
Smalltalk und waren sogar nett zu meinen Besuchern. Ziel erreicht!
Manche halten es dagegen für die vorbildlichste Reaktion, in solchen
Situationen zu sagen "Leck mich am Arsch!" oder einfach auf stur zu
schalten und zu ignorieren. Damit fächert man dem Feuer aber nur noch
mehr Sauerstoff zu. Irgendwann rollen Gartenzwerg-Köpfe, fliegen
Farbbeutel an die Hauswände und Reifen werden aufgeschlitzt. Dann rollen,
nach anfänglich harter, cooler Fassade und falschem Stolz, die Tränen
und irgendwelche Gartenzaunschlichter (womöglich von RTL2) rücken an.
Dieser Stolz und diese verständnislose Unnachgiebigkeit - lächerlich.
Also egal, ob man mit seiner persönlichen Absprache scheitert oder
nicht: man sollte es auf jeden Fall probieren, um seinen guten Willen
für gute Nachbarschaft zu demonstrieren und anzubieten. Die meisten
werden sicher froh darum sein und auf diese zwischennachbarliche
Kommunikation künftig einsteigen.
Rücksicht, Verständnis > Paragraphen. Letzteres hilft nur noch, wenn zuvor beide Parteien im Dialog endgültig scheiterten.
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