Ich bin derzeit auch froh, wieder in der Gesellschaft zu weilen nach den
6 Jahren Isolation im Ruhrgebiet. Ich hatte aus wirtschaftlicher Sicht alles, was man braucht: ein Gehalt, das sehr weit über dem Durschnitt lag, einen noblen Schlitten, eine feine Wohnung in (zu) ruhiger Lage, einen unbefrsiteten Arbeitsvertrag mit stabiler Position, die ich bis zur Rente vermutlich behalten hätte. Leider aber auch keinen Ausblick auf Abwechslung, neuen Erfahrungen, privater Integration und nichts, worauf ich sonst auf zunehmende Fließbandansprüche zurückblicken konnte.
Ein neues Kapitel ist nun aufgeschlagen und ich stecke nach gut einem Jahrzehnt als Arbeiter nun im Universitätsalltag - in der Hoffnung, mehr berufliche Perspektiven zu erlangen, meinen Idealen zum Umweltschutz nachjagen zu können, mich mehr unter gleichgesinnten, jungen Menschen integrieren zu können und mich persönlich und qualifikationstechnisch bereichnern zu können. Es befriedigt zum einen ein inneres, menschliches
Bedürfnis. Doch zugleich ist das Bedürfnis nach sozialer Distanz, gerade heute,
wieder mal zu berechtigt (hach ja, die zwei Seiten in mir).
Ich muss hier echt gerade mal den Wutuser spielen und Frust auf unsere
Gesellschaft ablassen. Unsere Kultur erscheint mir im internationalen
Vergleich ...so im Mittelfeld. Im Vergleich zur japanischen Kultur, wie
ich glaube, sehr primitiv und geistig weit unterlegen. Nach einem
semiwissenschaftlichen Magazin sollen Japaner das intelligenteste Volk
sein. Auch die Fähigkeit sich in vielerlei Hinsicht unterzuordnen, sich
zu disziplinieren und zu konzentrieren ist dort bemerkenswert.
Disziplin ist etwas, was mir seit Studienbeginn durch den Kopf geht. Ich
erkenne den Stellenwert dieser Disziplin oft im Alltag. Ebenso oft auch
das Fehlen dieser. Spricht man sich für solche Werte aus, wird man auch
noch verspottet (diese Reaktion ist bei bestimmten Menschen schon
berechenbar). Die meisten scheinen nicht mal in der Lage zu sein, sich
länger als eine Stunde auf etwas zu konzentrieren. Ich gebe zu, dass es
mir bei komplexer Thematik auch ab einer Stunde schwer fällt. Dennoch
bleibe ich leise und versuche immer noch so viel zu verstehen, wie es
geht. Es ist katastrophal, wie lange am Stück eine Vorlesung mit lauten
Witzen und Gesprächen von manchen Leuten gestört werden kann. Und die
Bitte nach Rücksicht voll ignoriert wird.
Nicht nur auf diese speziellen Alltagssituationen kann ich diesen
vermutlich generationsbedingten Disziplinmangel beziehen. Es fängt für
mich schon da an, wenn eine Trulla in der Straßenbahn nicht eine einzige
Minute bis zum Aussteigen mit dem Anzünden ihrer Zigarette warten kann.
Schon in solchen Kleinigkeiten zeigt sich das Fehlen von Disziplin.
Oder da, mit der Herde bei Rot über die Ampel zu latschen (stört mich ja
nicht, aber da fehlt mir der psychologische Mechanismus im Zusammenhang
mit der Bedeutung von Disziplin auf). Oder erst mal Leute aus der
Straßenbahn aussteigen lassen, bevor man selber einsteigt, wie wäre das?
Die Regel kennt kaum einer mehr. > Das < hier kommt wahrscheinlich auch nicht aus Deutschland. Wir wären zu doof dafür^^.
Keiner denkt mehr über sein Handeln mit und überlässt jede
Eigenverantwortung irgendwelchen Stadtplanern, Behörden und Politikern.
In der Hinsicht sind wir so träge wie die Menschen in dem Film Wall-E.
Darum sehen wir auch nicht ein, selber auf unnötig massiven Konsum und
Wohlstand zu verzichten, obwohl wir uns über die vielen Weltprobleme
beklagen, die ja eine Folge unserer Lebensweise sind. Auch hier könnte ich Kurven zu anderen Themen schlagen. ...
Sei es, wie es sei. Hin und wieder tun Menschen auch mir ganz gut, aber auf Dauer machen sie mich wahnsinnig! Selbst das alleinige Lernen klappt insgesamt, bis auf ein paar
Ausnahmen, bei mir grundsätzlich besser als mit anderen. Da entstehen
mehr Ehrgeiz, weniger Ablenkung und die Angst, stofflich den Anschluss
zu verlieren - in der Gruppe zieht mich bislang immer die schlechtere
Lernmoral runter. Und obwohl ich alleine lerne (oder gerade deshalb) bin
ich stofflich meistens weiter als andere in meinen Gruppen und
Veranstaltungen.
Anmerkung:
Verzeiht, wenn ich wieder mal so überstreng klinge. Mittwochs ist es in
meinem Alltag am schlimmsten. Da muss ich in Mathe stundenlang
respektlose junge Menschen ertragen, die nur Schei** labern und
massivst meinen Erfolg behindern (und auch den Anderer). Das macht mich
total aggressiv. Nicht nur mich, auch unseren Matheprof, der letztens
mal das Mikro weglegte und abbrechen wollte. Darum musste ich mich jetzt
mal im Tagebuch auslassen.
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